Vegetationsrekonstruktion Rezatried

Das jüngste unserer Projekte (Stand Herbst 2018) entstand aus der Kooperation mit dem Team der Wissenschaftler um Dr. Lukas Werther, die seit 2013 das Kanalprojekt von Kaiser Karl dem Großen aus dem 8. Jahrhundert mit neuesten technischen Methoden unter die Lupe nehmen. Im Rahmen der Forschungsarbeiten an der „Fossa Carolina“  konnten unter anderem Bohrkerne aus den natürlichen Verfüllungen (Sediment) des Karlsgrabens gewonnen werden. Diese wurden in einer ersten Pilotphase von der renommierten Spezialistin für Pollenanalysen, Frau Dr. Maria Knipping  vom Institut für Archäo- und Paläobotanik an der Universität Stuttgart-Hohenheim untersucht. Die zwei im Jahr 2018 pollenanalytisch ausgewerteten Sedimentkerne decken kontinuierlich und hochpräzise datiert den Zeitraum vom späten 8. Jahrhundert (Zeit des Kanalbaus 792/793) bis ins 18./19. Jahrhundert n. Chr. ab. Da genau diese jüngeren Phasen in natürlichen Moorarchiven häufig stark komprimiert und durch Austrocknung geschädigt sind, kommt unserem natürlichen Boden-Archiv mit seinem hervorragenden Erhaltungszustand eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Ergebnisse dieser Pilotanalyse waren bereits sehr aufschlussreich und sollen nach einer ersten öffentlichen Präsentation auf unserer Jahresversammlung im Mai 2019 in eine Publikation aufbereitet und- je nach vorliegenden Ergebnissen- eventuell sogar noch ausgeweitet werden.

 

Welche Ergebnisse erwarten wir uns von diesem zunächst etwas kompliziert klingenden Projekt?

Der Raum zwischen Weißenburg und Treuchtlingen ist seit dem Neolithikum, also der Zeit um etwa 5000 v. Chr., in vielen Perioden intensiv besiedelt. Für viele Phasen ist archäologisch durch Siedlungen, Gräberfelder und Wirtschaftseinrichtungen eine intensive Nutzung nachweisbar, so etwa für die Hallstattzeit (etwa 800 v. Chr.), die römische Nutzungsphase des Kastells Weißenburg bis zum Fall des Limes und die- nicht zuletzt mit Unterstützung unserer Gruppe- für Weißenburg  inzwischen gut aufbereitete Phase der Merowingerzeit. Für andere Perioden, insbesondere die Übergangsphasen von der Spätlatènezeit (ca. 100 v. Chr.) zur Römischen Besiedlung, die Völkerwanderungszeit und frühe Merowingerzeit oder auch das ausgehende Frühmittelalter, erlaubt das in der Regel eher spärliche archäologische Fundmaterial jedoch keine zuverlässigen Aussagen. Traditionell werden für die Annäherung an diese archäologisch oder archivalisch kaum belegten Phasen Pollenarchive ausgewertet, die sich vor allem in Mooren oder anderen Feuchtbodenmilieus wie z.B. dem des Karlsgrabens erhalten. Unabhängig von archäologischen Fundstellen und größeren (makroskopischen) botanischen Resten, wie man sie zum Beispiel in den Bodenschichten von Brunnenanlagen finden kann, können Pollenarchive präzise und chronologisch durchgehende Informationen zur Intensität und zur zeitlichen Entwicklung der Landnutzung, zum Verhältnis von Wald, Wiesen und Ackerflächen, zum Erscheinungsbild der Kulturlandschaft und natürlich auch zur Waldnutzung, zur Einführung neuer Kulturpflanzen und zu Veränderungen der Ernährungs- und Anbaugewohnheiten geben.

 

Für die Region Weißenburg-Dettenheim-Treuchtlingen gibt es bislang keinerlei systematische Pollenanalysen. Die nächstgelegenen Studien stammen vom Unterlauf der Altmühl. Dies verwundert umso mehr, als mit dem Rezatried, den Feuchtbodensedimenten in der Fahrrinne des Karlsgrabens und weiteren vermoorten Bereichen z.B. bei Schambach mehrere hervorragende Archive vorliegen, die für entsprechende Untersuchungen beste Voraussetzungen bieten würden.

Über die schon vorliegenden ersten Ergebnisse hinaus haben wir mit Herrn Dr. Werther (Institut für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena) bereits Pläne entwickelt, das Projekt chronologisch auszuweiten. Zu den spannenden Phasen des Zeitraums im Umfeld der römischen Besiedlung, aber auch der Bronze- und Eisenzeit, aus der bei den Straßenarbeiten um Dettenheim 2015 ein großes Gräberfeld entdeckt wurde, bis hin zum frühesten Eingriff des Menschen in die Vegetation im Neolithikum mit Einführung der Landwirtschaft, fehlen uns nämlich bislang überhaupt tiefere Kenntnisse. Aus den Schichten des Karlsgrabens können jedoch Informationen zur Vegetations- und Landschaftsentwicklung aus der Zeit vor den Arbeiten am Kanal 792/793 nicht gewonnen werden. Wie wir aus punktuellen Voruntersuchungen bereits wissen, gibt es aber unter anderem im Rezatried zwischen Markhof und Emetzheim ältere Moorschichten, die Phasen der Landschaftsentwicklung vor dem Bau des Karlsgrabens abdecken könnten. Weitere erfolgversprechende bodenkundliche Archive wie das Schambachried wären zu erschließen, was allerdings einen erheblichen Aufwand bedeuten würde, für den uns aktuell leider noch die finanziellen Mittel fehlen.

 

 

Auf der Basis entsprechender Auswertungen wäre es möglich, eine epochenübergreifende Umweltgeschichte der Region zu schreiben und die Mensch-Umwelt-Interaktion in völlig neuer Art und Weise zu beleuchten. Viele der dabei anzuschneidenden Themen (Umgang des Menschen mit natürlich Ressourcen, Waldrodung, Änderungen im Anbau von Feldfrüchten, Klimaveränderungen und Vegetationswandel) sind gesellschaftlich hochaktuell und wissenschaftlich von großem Interesse.

Neben der bereits zugesagten bzw. schon erfolgten Unterstützung durch die Sparkassen Kulturstiftung, die Ossberger Stiftung sowie die Hermann-Gutmann-Stiftung, für die wir sehr dankbar sind, sind wir zur Umsetzung unserer hochgesteckten Ziele auf weitere Mithilfe angewiesen. Mit Ihrer Spende können Sie dazu beitragen, die Forschungen zur weiteren Vertiefung der Einblicke in die Entwicklung der Besiedelung unserer Heimat zu unterstützen.